Forschungsgeschichte

Die Qualität der Luft, die wir einatmen, hat Auswirkungen auf unseren allgemeinen Gesundheitszustand. Die kognitiven Fähigkeiten von Kindern können durch eine hohe CO 2-Konzentration in Klassenzimmern beeinträchtigt werden. Das Forschungsprojekt SCOL'AIR-FR wird vom "Centre romand de la qualité de l’air intérieur et du radon" (croqAIR) des innerhalb des Smart Living Lab tätigen Instituts TRANSFORM der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg (HTA-FR) durchgeführt. Sein Ziel ist es, mehr über die Luftqualität in den Freiburger Primarschulen zu erfahren. Innerhalb von achtzehn Monaten sind vier Messkampagnen in 48 Schulklassen in 24 Schulen geplant.

Ursprünglich war im Rahmen eines Auftrags des Amtes für Energie des Kantons Freiburg vorgesehen, eine Woche lang die CO2-Konzentration in fast 1500 Klassenzimmern des Kantons zu messen. Joëlle Goyette Pernot, Professorin am Institut TRANSFORM der HTA-FR und Radondelegierte für die Westschweiz beim Bundesamt für Gesundheit, sah darin eine einmalige Gelegenheit, noch einen Schritt weiter zu gehen. Sie sagt: «CO2 ist ein guter Indikator für die Luftqualität. Es gibt aber noch viele weitere Indikatoren, insbesondere chemische Schadstoffe, Feinpartikel oder Radon.» Seit den 1980er-Jahren weiss man, dass dieses Gas krebserregend ist, und es existiert ein gesetzlich festgelegter Referenzwert, der in sämtlichen Aufenthaltsräumen nicht überschritten werden darf (Strahlenschutzverordnung (StSV, 2017)). Es liegt in der Verantwortung der Gemeinden, dass dieser Wert in den öffentlichen Gebäuden, insbesondere in Schulen, eingehalten wird.

Belüftet versus unbelüftet

«Wir haben den Gemeinden angeboten, eine offizielle Radonmessung durchzuführen, damit sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen können. Wir haben 24 Schulen gefunden, die bereit sind, zwei ihrer Klassenzimmer für uns zu öffnen, um weitaus mehr Daten zu sammeln», erklärt die Professorin. Von diesen 24 Schulen verfügt rund die Hälfte über Gebäude mit traditioneller Bauweise und einer natürlichen Belüftung durch manuelles Öffnen der Fenster. Die Schulgebäude der anderen Hälfte sind mit einem mechanischen Lüftungssystem ausgestattet. Joëlle Goyette Pernot stellte sich die folgende Frage: «Wirken sich belüftete Klassenzimmer positiv auf die Qualität des Lernens und des Unterrichts aus?» Die gesammelten Daten sollen Antworten auf diese Frage liefern. In jeder der 48 Klassen werden mittels aktiver und passiver Sensoren eine Woche lang verschiedene Faktoren gemessen: CO2, Radon, Feinpartikel, Formaldehyd, organische Verbindungen, Temperatur, Feuchtigkeit usw. «Eine vollständige Messkampagne dauert acht Wochen, sogar zehn, wenn man die Schulferien mit einrechnet», meint die Professorin. «Wir planen mehrere Kampagnen im Jahr.»

Ratschläge zwischen zwei Kampagnen

Auf der Grundlage der ersten gesammelten Daten werden Vorschläge zur Verbesserung der Situation gemacht. «Auf diese Weise können wir bei der zweiten Messrunde feststellen, wie sich diese Ratschläge ausgewirkt haben», sagt Matias Cesari, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts TRANSFORM. Die Ratschläge sollen einfach und mit möglichst geringen finanziellen Auswirkungen ausfallen. «Sie können von einer Sensibilisierungskampagne für eine bessere Belüftung der Räume bis hin zu einem Wechsel der Reinigungsmittel reichen», sagt Joëlle Goyette Pernot. «Es kann auch sein, dass eine Konfiguration des Lüftungssystems oder Unterhaltsarbeiten am System vorgeschlagen werden.»


«Mit der Covid-19-Pandemie ist das öffentliche Interesse an der Luftqualität in Innenräumen gewachsen.»

— Prof. Joëlle Goyette Pernot

Bewusstsein für die Bedeutung des Lüftens schärfen

«Zudem wäre es von Interesse, über langfristige Daten zu verfügen», meint Matias Cesari. Mit dem Covid-19-Virus hat sich ein grösseres Bewusstsein für die Bedeutung des Lüftens entwickelt. Aber wird dieses Bewusstsein von Dauer sein? Die von uns verwendeten CO2-Messgeräte haben eine pädagogische Funktion. Sie zeigen die gemessenen Werte an und liefern mithilfe eines Farbcodes einen Hinweis auf die Luftqualität. Dies ist sicherlich ein Anreiz, besser zu lüften.» Ein permanenter Sensor würde schnell in Vergessenheit geraten und langfristig ein realitätsnäheres Bild des Lüftungsverhaltens liefern. Ein weiteres erklärtes Ziel von SCOL'AIR-FR ist es, die Ergebnisse für eine Sensibilisierungskampagne bei Gemeinden und Familien zu nutzen. Joëlle Goyette Pernot: «Wir müssen der Luftqualität im Innern von Gebäuden viel mehr Bedeutung zumessen. Schlechte Gerüche durch das Abrennen einer Kerze oder eines Räucherstäbchens zu überdecken, löst das Problem nicht, ganz im Gegenteil! Die Veröffentlichung unserer Ergebnisse wird eine gute Gelegenheit sein, dies wieder einmal in Erinnerung zu rufen.» Nach Abschluss des Projekts kann das im Kanton Freiburg eingeführte Messprotokoll auf die anderen Westschweizer Kantone übertragen werden.

«Wir müssen der Luftqualität im Innern von Gebäuden viel mehr Bedeutung zumessen.»

Ein Observatorium für die Luftqualität in Innenräumen

Vor einigen Jahren initiierte Joëlle Goyette Pernot mit mehreren Westschweizer Forschungspartner die Einrichtung des Observatoire romand et tessinois de la qualité de l’air intérieur (ORTQAI). Dabei handelt es sich um ein Schweizer Pilotprojekt, das vom Bundesamt für Gesundheit gefördert und vom Service de l'air, du bruit et des rayonnements non ionisants (SABRA) des Kantons Genf unterstützt wird. Es hat zum Ziel, nicht nur Forscherinnen und Forscher, sondern auch Ingenieur- und Architekturbüros sowie Unternehmen, die in den Bereichen Messung, Gesundheit und Innenraumklima tätig sind, zusammenzubringen.

«Das ORTQAI ist ein Observatorium und eine Plattform für den Austausch über diese Themen. Es bündelt ein breites Spektrum an Kompetenzen», meint die Forscherin. Das Observatorium soll nun dazu beitragen, bessere Kenntnisse über diese Luftqualität und ihre Auswirkungen zusammenzutragen, obwohl es in diesem Bereich derzeit noch keine entsprechenden Gesetzesgrundlagen in der Schweiz gibt. Das Observatorium ist der wichtigste Partner des Projekts SCOL'AIR-FR.

Text: Sophie Roulin / Bilder: Guillaume Perret

Galerie

Kontakt

Joëlle Goyette Pernot

TRANSFORM Institute
Full Professor UAS- HEIA-FR
-health and comfort in buildings
-heating, ventilation and air-conditioning HVAC
-construction

Matias Cesari

TRANSFORM Institute
Academic Associate UAS- HEIA-FR
-construction
-health and comfort in buildings
-well-being and behaviors

Information

TAGs